Gedanken zum Wert Behutsamkeit

Der Lärm der Stadt verebbt. Das Meer plätschert in kleinen Wellen an die Mauer der alten Brücke, deren Steine noch warm von der Hitze des Tages sind. Der Abend senkt sich über die Bucht. Die Luft riecht nach Salz und verdorrten Sträuchern und eine leichte Brise kommt auf.

Den Blick auf den Horizont gerichtet, genießt er den kühlen Windhauch, die Stille. Er lehnt sich versonnen zurück. Du gewöhnst dich schnell an das Leben am Meer, denkt er. Die Stadt hat ihren eigenen Rhythmus, schlägt ein langsames, südliches Tempo an. In den großen Boulevards steht die Hitze, es riecht nach Diesel und aus den geöffneten Fenstern der vorüberfahrenden Autos erklingen Fetzen lauter Musik. Nähert man sich den schmalen Gassen nahe dem Meer, laden Marktstände, Geschäfte und Cafés zum Verweilen ein. Auf der Uferpromenade nur noch einzelne Spaziergänger. Ruhesucher, Stillekoster wie ich, denkt er.

„Mit dem Geist soll man behutsam umgehen, ihm ab und zu an Ruhe gönnen, das nährt ihn und gibt ihm Kraft.“ (Seneca)

Wohin weiter? Und wozu? Warum nicht bleiben? Du könntest es wagen, dich aus dem Getriebe zurückziehen, hier eine neue Heimat finden und mehr leben. Einfach leben. Karriere, Geld, Status. War das denn Glück? Du hattest keine Zeit, es zu genießen, denkt er. Und mit wem konntest du die schönen Momente teilen? Anerkennung, Erfolg, gut, aber mehr noch: Druck, Hektik, Verantwortung und Zugeständnisse. Letztlich demütigend, austauschbar und immer wieder einsam. Was willst du wirklich? Sinn, Gemeinschaft, Wertschätzung. Vor allem: etwas Starkes, etwas Eigenes. Wage es, denkt er, plötzlich von Mut und Klarheit erfasst.

Ich bleibe, verspricht er sich. Alles wird gut, hofft er. Ich kann mich auf mich verlassen. Und die Liebe? Ein Anflug von Zärtlichkeit geht ihm durch den Sinn. Ja. Vielleicht auch Liebe, ganz unverhofft.

Ein Fischerboot nähert sich fast lautlos. Die Möwen fliegen tief.