Gedanken zum Wert Abhärtung
„Stell dich nicht so an.” Diesen Satz kennen Hochsensible oft seit ihrer Kindheit. Ein Beispiel unter vielen ist das Thema Schlaf:
Zum Schlafen muss die Tür angelehnt bleiben, allerdings darf nicht zu viel Licht ins Zimmer scheinen, vor allem muss es ruhig sein, aber mit Ohrstöpseln zu schlafen ist nur möglich, wenn sie sich angenehm anfühlen, nicht völlig abdichten, sodass der eigene Herzschlag zu laut klingt…
Frische Luft kommt am besten aus dem Nebenzimmer, denn bei offenem Fenster zu liegen ist zu kalt.
Neben jemandem zu schlafen fällt nicht immer leicht und wird ganz ausgeschlossen, wenn der Partner schnarcht.

Ganz abgesehen von äußeren Störfaktoren finden Hochsensible oft keine Ruhe aufgrund von inneren Belastungen.
Sorgen, Kränkungen und Enttäuschungen wirken lange nach, werden oft später in Gedanken noch mal nachvollzogen und halten wach. Meist fällt einem dann leider erst nachträglich die passende Antwort in einer Auseinandersetzung oder die wünschenswerte Haltung zu einem Thema ein. Und man ärgert sich noch mehr, am meisten über sich selbst.

Sanfte Stärke

Mancher Hochsensible wünscht sich ein dickeres Fell, so, als könnten wir uns gegen alles um uns herum wappnen und stählen. Ich glaube allerdings trotzdem, Abhärtung im Wahrnehmen und Fühlen ist weder möglich noch hilfreich und auch nicht wirklich erstrebenswert.

Wie gelingt es also, die Härten im Leben zu meistern, ohne hart zu werden? Was tun, wenn uns im vermeintlich unpassendsten Moment die Tränen kommen, wenn Zweifel, Angst und Sorge uns den Schlaf rauben, wenn die nächste Herausforderung uns auf den Magen schlägt?

Ich gönne mir mitten im Geschehen eine kurze Pause.
Wir haben immer die Möglichkeit, wenigstens kurz innezuhalten. Auszuatmen, bis zur Antwort etwas Zeit vergehen zu lassen, die Situation zu verlassen. Bewusst langsamer zu gehen. Beunruhigenden Gedanken eine bestimmte Zeit zuzuweisen, in der wir uns mit ihnen beschäftigen. In Ruhe zu essen. Den Morgenhimmel zu beobachten. Musik zu genießen. Das Handy abzuschalten. Stille herzustellen.
Und je turbulenter eine Situation sich entwickelt, umso ruhiger werde ich.

Ich richte den Fokus meiner Aufmerksamkeit wie einen Scheinwerfer bewusst auf etwas anderes.
Der Beobachter in mir ist geistesgegenwärtig.
Ich öffne mich der Welt.

Sensible Wege

„Sensibel
ist die erde über den quellen: kein baum darf
gefällt, keine wurzel
gerodet werden

Die quellen könnten
versiegen

Wie viele bäume werden
gefällt, wie viele wurzeln
gerodet

in uns”

(Reiner Kunze)

Wie gehen Sie mit Ihrer Sensibilität um?