Gedanken zum Wert Askese

Sich auf das unabdingbar Notwendige zu reduzieren, dem Aufgehen in Genuss und Überfluss zu entsagen und freiwillig Verzicht oder Enthaltsamkeit in bestimmten Lebensbereichen zu üben – das verstehen wir oft unter Askese.

In unterschiedlichen Philosophien und Religionen wird Askese als regelmäßig wiederkehrende oder zeitweise geübte Selbstdisziplinierung und Sieg des Geistes über den Körper und seine triebhaften Bedürfnisse bewertet und gelebt. In rigoroser Form praktiziert, führt sie zu einem Zurückziehen von der Welt, zu einer Art Weltabkehr als Mönch, Einsiedler oder Eremit.

Eine Form der Askese praktiziert bisweilen bereits, wer eine Zeitlang keinen Alkohol trinkt, sich Süßigkeiten versagt, vegetarisch oder vegan lebt. Wer aus ökologischen Gründen auf die Bequemlichkeit eines Autos verzichtet oder sich im Kloster eine Auszeit vom permanenten Kommunizieren gönnt und sich in die Stille des Schweigens versenkt, übt Askese.

Entscheidend scheint mir dabei das freiwillige Erüben innerer Stärke durch Selbstüberwindung zu sein. Denken, Fühlen und Wollen sind Kräfte in uns selbst, denen wir meist unbewusst nachgehen und nachgeben, die in uns auftauchen, impulshaft, unkontrolliert.

Gedanken, Gefühle und Willensimpulse steigen in unserem Inneren auf und geraten unter dem Licht unserer Aufmerksamkeit in den Fokus unseres Bewusstseins. Beherrschen sie uns oder beherrschen wir sie? Müssen wir uns von der Welt zurückziehen, um unsere Seelenkräfte zu schulen? Wie kann das in einer modernen Welt mitten im Leben gelingen?

„Der Manager muß seine Vorbildfunktion, die er in den letzten 30 Jahren abgelegt hat, wieder übernehmen. Gefordert ist der „asketische” Manager.”
(Winfried M. Bauer)

Wir brauchen Zeiten des Rückzugs, der Selbstbesinnung und -begegnung. Wir brauchen mehr Aufmerksamkeit dafür, was überflüssig und unwesentlich ist, wann wir uns verausgaben und verlieren. Dafür, welche Worte wir wählen und was sie bei anderen bewirken. Dafür, worauf wir Einfluss nehmen können und wie wir Raum für freie Entscheidungen und Taten gewinnen.

Wir brauchen Unternehmer, die regelmäßig für einen Moment aus dem Alltagsgeschäft zurücktreten, um die Perspektive zu wechseln und neue Wege zu wagen. Unternehmer, die die Metaperspektive beherrschen, die über Visionen nachdenken und ihre Gedanken mit ihren Werten in Übereinstimmung bringen, Gewohntes und Festgefahrenes grundlegend infrage stellen und sich von Sachzwängen freimachen können. Wir brauchen Unternehmer, die souverän sind und Charakter zeigen – Persönlichkeiten in permanenter Entwicklung, die ihren Führungskräften und Mitarbeitern ebenso Raum dafür gewähren.

In diesem Sinne ist Askese eine innere Haltung, sich selbst zu schulen, an sich zu arbeiten. Je häufiger wir diesen frei gewählten Schulungsweg betreten, umso meisterlicher werden wir – mitten im Business, mitten im Gespräch, jetzt. Nicht ein Rückzug in Weltenferne dient dem Ganzen, sondern innere Arbeit an sich selbst für die Welt.
Das ist die persönliche Qualifikation, die es braucht, um andere zu führen: sich selbst führen zu können. Das ist innere Führungskraft.