Gedanken zum Wert Anknüpfung

„Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren laß die Winde los.

Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
gib ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.”
(Rainer Maria Rilke)

An Bestehendes anzuknüpfen bedeutet zunächst, eigene Talente und Gaben zu entwickeln und sie mit dem Umfeld in Verbindung zu bringen. Es bedeutet aber auch, in wiederkehrenden größeren Lebensrhythmen auf vergangene Lebensphasen aufzubauen, Erfahrungen umzuwandeln, Erlebtes zu verinnerlichen und so innere Stärken auszubilden.

Manche Lebenszyklen spiegeln einander auf anderer Ebene wider. Die Lebenskräfte, die uns in der Jugend körperlich zu Erwachsenen reifen lassen, werden im mittleren Lebensalter von der Arbeit an physischen Aufbauprozessen frei und stehen in umgewandelter Form für neues geistiges und schöpferisches Tun zur Verfügung. Eine Stimmung des Aufbruchs und Neubeginns kann sich entwickeln.

Reife

Der Wunsch, aus sich selbst heraus etwas Sinnvolles für andere beizutragen, wird drängender. Wir verbinden uns aus freiem Antrieb heraus mit denen, für die wir Mentor, Förderer, Helfer, Dienstleister sein können. Eine gereifte Persönlichkeit kann jetzt noch mehr von sich absehen und im Dienst der anderen agieren, entscheiden, führen. In diesem Sinne ist der so genannte Herbst des Lebens nicht nur eine Krise der verlorenen Jugend, sondern ein kraftvolles geistig-seelisches Anknüpfen an unser eigenes Inneres mit Blick auf unseren Beitrag an die Welt.

Der Blick richtet sich dabei nicht nur auf das, was wir dem Auf und Ab des Lebens an Charakterstärke, Herzenskraft und Ideenreichtum abringen und zur Blüte bringen konnten. Ab der Mitte des Lebens können wir trotz der nachlassenden physischen Kräfte mit größerer innerer Stärke in die Zukunft blicken. Wir erahnen eine Zukunft, an der wir nicht mehr unmittelbar Anteil nehmen, sondern anderen die Früchte unseres Lebens hinterlassen haben. Und vielleicht geht die Saat unserer Biografie erneut in einem größeren Zusammenhang auf.

Welche Seiten in Ihnen konnten Sie zu voller Blüte entfalten und welche Früchte möchten Sie noch zur Reife bringen? An welches innere Bild von sich selbst knüpfen Sie an, wenn Sie sich auf Ihrem biografischen Entwicklungsweg von der Vergangenheit in die Zukunft sehen? Und welche Erfahrungen und Erkenntnisse möchten Sie an andere weitergeben und vor dem Vergessenwerden bewahren?
Erzählen Sie mir Ihre Geschichte. Ich halte sie für Sie so fest, dass die Leser Ihres Porträts spüren: Ihre Persönlichkeit zählt.