Gedanken zum Wert Aktivität

„Wer rastet, der rostet.” Ist das der Leitspruch, der Sie zur Aktivität antreibt?

Mich treibt oft die Neugierde, etwas Neues zu lernen, zu erfahren und zu entdecken. Und manchmal treibt mich auch das Gefühl, dringend mein Leben verändern zu müssen. Dann kann allerding Aktivität auch fast in Aktionismus umschlagen. Vor einigen Jahren wollte ich zum Beispiel unbedingt in einer Stiftung arbeiten und habe mich initiativ bei 1000 Kulturstiftungen beworben. Fast alle haben sehr freundlich geantwortet, eine Stelle hatten sie zu der Zeit aber leider nicht für mich. Was für ein Energie- und Reiseaufwand, Papier- oder Mailversand und wie viele enttäuschte Hoffnungen… Leider lässt sich im Leben nicht alles mit Willenskraft steuern.

Manchmal gelingt Aktivität im Außen nicht und wir bleiben zu lange in Situationen, von denen wir genau wissen, dass wir etwas ändern müssten: eine unglückliche Partnerschaft, das falsche Umfeld, der ungeliebte Job. Das Gefühl, täglich abgewertet und verletzt zu werden, das sich dann allmählich einschleicht, lässt uns ohnmächtig vor der Situation stehen und wie gefroren in ihr verharren. Wir verlieren unsere Energie, Fröhlichkeit und Ausstrahlung und stellen den Sinn des Ganzen in Frage. Um nicht in die drohende Abwärtsspirale von Erschöpfung und depressiver Stimmung einzusteigen, ist zunächst innere Aktivität notwendig, damit neue Bewegung ins Leben kommen kann.

Die Kraft des Verzeihens

Meine erste Stelle nach meiner Promotion war direkt ein Glückstreffer: Umzug ins Ausland, gutes Gehalt, Gestaltungsfreiraum, eine kultivierte Umgebung und ein sehr guter Chef. Leider waren die Umstände unserer Zusammenarbeit nicht gut. Unterschiedliche Aufgabenstellungen widersprachen sich, verlangten gleichzeitig Präsenz und Reisen, die Tradition im Haus stand meiner Position entgegen. Ich fühlte mich gemobbt, wurde krank und schließlich arbeitslos. Jahrelang habe ich mit dieser Enttäuschung gehadert. Ein Gefühl, das auf Dauer verhärtet, belastet, verbittert.

Ich hatte das Gefühl, eine innere Wendung machen zu wollen, setzte mich hin und schrieb einen langen Brief an meinen ersten Chef. Ich bedankte mich für die schöne Zeit der Zusammenarbeit, die ich in guter Erinnerung hatte. Ich entschuldigte mich für die Fehler, die ich bei mir sah, wenn ich mich in seine Position versetzte. Ich zeigte ihm meine Verletztheit und meinen Wunsch nach Aussöhnung auf. Er hat sich sehr gefreut, mich eingeladen und mit mir ein langes Gespräch in unserem alten Büro geführt.

Mit einem starken Gefühl von Glück und Erleichterung bin ich nach Hause gefahren. Verzeihen und Versöhnung richten das Selbstwertgefühl von innen heraus auf und befreien von Lasten aus der Vergangenheit. Ich spürte, dass das ein Akt der Freiheit war und sich neue Wege jetzt erst öffnen konnten. Wenn wir diese innere Aktivität aufbringen, bin ich sicher, dass das Leben einen Energieschub erhält und Aktivitäten zur Veränderung unserer Situation möglich sind und leichter fallen. Dafür ist es nie zu spät.

„Am Ende söhnet der Geist mit allem uns aus.”
(Friedrich Hölderlin)

Mit wem möchten Sie sich versöhnen?