Gedanken zum Wert Bodenständigkeit

Nach dem Essen leiht der Biobauer mir ein paar Gummistiefel, um mir seine Rinder zu zeigen. Mit grünem Filzhut, Regenjacke und Gummistiefeln läuft er aufrecht durch nasses Laub und aufgeweichte Wiesen vor mir her, sein Hund rennt voraus.

Wir erreichen das Winterquartier der Kälber und Mutterkühe, die demnächst voneinander getrennt werden müssen. Eher gedrungene Rinder mit lockigem Fell, die besonders langsam wachsen und hochwertiges zartes Fleisch liefern. Auf das aufgeregte Kläffen seines Hundes reagieren sie mit gelassener Sanftmut. Der Rest der Herde steht in Boxen im Stall und wird gerade vom Stallknecht mit frischem Heu gefüttert. „Guten Morgen, kräftig füttern“, weist der Biobauer ihn an und schimpft mit dem Hund, der mich vor Übermut mit matschigen Pfoten angesprungen hat. Wir gehen weiter. Der Regen sprüht uns ins Gesicht, tropft den Kragen hinunter und durchweicht meine Jacke. Es riecht nach feuchter Erde.

Die zehn Bullen sehen wir nur von Ferne auf der oberen Weide. „Da sind die Kameraden. Wir bleiben besser hier. Man weiß nicht, wie sie reagieren. Die sind schnell“, warnt er. Massige dunkle Körper stehen im Regen dicht zusammen, bieten sich gegenseitig Schutz. Sie fressen in Ruhe und ignorieren seinen Ruf. „Na, kommt!“ Einer hebt gelangweilt den Kopf. Heute kommen wir nicht näher an sie heran und beschließen umzukehren. Auf dem Rückweg schweigt er. Der Weg bietet einen freien Blick auf das unter uns liegende Tal bis zum Waldrand. Man hört nur den Wind, den Regen und den Gleichklang unserer Schritte. Der Biobauer blickt über sein Land und pfeift den Hund zurück, der aus einer Pfütze trinkt. „Da drüben habe ich noch ein paar Häuser dazugekauft. Mal sehen, was daraus zu machen ist. Ich suche mir meine Nachbarn selbst aus. Hier habe ich meine Ruhe“, sagt er und schweigt wieder.

Wir erreichen den Hof, stellen die durchweichten Stiefel vor der Tür zum Trocknen auf und ziehen die nassen Jacken aus. Er wirft den Hut auf einen Stuhl, weist den Hund zurecht und kocht einen Kaffee. „Es ist kalt geworden“, murmelt er. Die Wanduhr tickt leise. Er stellt eine Schale mit Nüssen und einen Krug voller Milch auf den Tisch. Der Hund rollt sich auf seiner Decke zusammen und schläft augenblicklich ein. Draußen wird es plötzlich dunkel und in den Regen mischen sich langsam erste Schneeflocken. Ich strecke die Beine aus. Ich darf noch bleiben.

„Wieviel Erde braucht der Mensch?“ (Leo Nikolajewitsch Graf Tolstoi)