Gedanken zum Wert Anspruch

Vor etwa sechs Jahren las ich in der Zeitung, dass in den Vereinigten Arabischen Emiraten mehrere groß angelegte Kultureinrichtungen geschaffen werden sollten. Auf der Insel Saadiyat sollten u.a. das Guggenheim Abu Dhabi Museum, der Louvre Abu Dhabi, das Sheikh Zayed National Museum und – für mich als Künstlerin und Kulturwissenschaftlerin besonders interessant – das Performing Arts Centre mit einer Akademie der Darstellenden Künste geplant, gebaut und eröffnet werden. Bereits einmal hatte ich ein Angebot, in Ägypten an der Neugründung einer privaten Universität mitzuarbeiten, nicht realisieren können und war stattdessen nach Luxemburg gegangen. Ich war offen für Neues, abenteuerlustig und flog spontan nach Dubai, um dort Urlaub zu machen und alle Emirate zu besuchen.

Dubai war damals fast eine einzige riesige Baustelle spektakulärer und weltberühmter Immobilienprojekte. Ich war enttäuscht, selten einen strahlend blauen Himmel zu sehen, die Luft blieb vorwiegend diesig, fast milchig-trüb. Als Fußgänger fühlte ich mich eher fehl am Platz, kam es doch bei den sommerlichen Temperaturen eher darauf an, die kurze Strecke zwischen Auto und dem nächsten zu erreichenden Gebäude, in der man ohne Klimaanlage war, gut zu überstehen. Das Emirat Abu Dhabi gefiel mir am besten mit seinen breiten Straßen und den kultivierten Grünanlagen, es erschien mir besonders sauber und gepflegt, offensichtlich etwas mehr am französischen als am englischen Kulturleben orientiert. Abu Dhabi erinnerte mich an meine Zeit in Luxemburg auf dem Kirchberg-Plateau. Als Frau fühlte ich mich sehr sicher, wurde wertschätzend und höflich behandelt und konnte mir gut vorstellen, in den Emiraten zu arbeiten. Ich nahm Kontakt zu einer ansässigen deutschen Arbeitsvermittlerin auf, zahlte ihr eine Gebühr und flog wieder nach Hause. Nach einer angemessenen Wartezeit versuchte ich wieder mit ihr ins Gespräch zu kommen. Telefonnummer und E-Mail-Adresse funktionierten nicht mehr. Leider erhielt ich nie eine Gegenleistung. Ich war einer Betrügerin aufgesessen.

Inzwischen sind nach Jahren der Planung und Fertigstellung und trotz der Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise die Kulturinstitutionen und der Campus wohl eröffnet. Hätte ich damals andere Menschen getroffen, wäre ich vielleicht von Anfang an dabei gewesen, hätte wieder in einer Aufbausituation mitgewirkt und würde vermutlich inzwischen sogar etwas Arabisch sprechen und für mein Gefühl an etwas Großem teilhaben. Das Große besteht darin, mit vielen zusammen etwas Sinnvolles zu gestalten, jeder nach seinen Fähigkeiten. Das Große besteht in dem Wissen, woher man kommt und welche Werte eine Brücke in die Zukunft bauen können, um Kultur und Menschlichkeit auf hohem Niveau immer weiter auszubilden.

Vielleicht führt mich das Leben noch einmal dort hin, vielleicht kommt mir etwas anderes aus der Zukunft entgegen, von dem ich jetzt noch nichts ahnen kann. Ich bleibe offen, neugierig und bereit. Mein Anspruch an andere ist dabei derselbe wie an mich selbst: Es entspricht mir, meinen bisherigen Standard zu übertreffen, mich aus der Erfahrung, die hinter mir liegt, in die Zukunft hinein weiterzuentwickeln und dabei mein Bestes zu geben. Das Große können wir überall finden, wenn wir gemeinsam danach suchen. Das hoffe ich.