Gedanken zum Wert Andersartigkeit

Der Lebenslauf: lückenlos, die Präsentation der beruflichen Projekte: schlüssig, zielführend und vor allem erfolgreich und gewinnbringend. Bewerbungen müssen dem Standard entsprechen. Das gilt vor allem für Führungskräfte. Was nicht ins Schema passt, wird spätestens im Gespräch passend gemacht. Der so genannte Marktwert muss stimmen.

Wir durchlaufen heute mehrere Karrieren, müssen uns öfter neu erfinden, ergreifen und entwickeln neue Berufe, bilden uns weiter und erleben Scheitern, Misserfolg, fehlende Wertschätzung, Existenzsorgen. Wir arbeiten angestellt, freiberuflich und selbstständig, wechseln Projekte und Rollen, sind Unternehmer oder Bewerber, verlieren den roten Faden und knüpfen neu an.

Ausgerechnet in dem Bereich, in dem es um die persönliche Existenz im Arbeitsleben, um Job oder Beruf oder sogar Berufung und eine dementsprechende Lebensqualität geht, gibt es wenig Raum für die Darstellung von Individualität, für Andersartigkeit: beim Bewerben. Wie können Unternehmen sich so ein Bild des zukünftigen Vorstands, Geschäftsführers oder Mitarbeiters machen?

Wer Führungskräfte und Mitarbeiter einstellt, stellt mit jedem Menschen außer seinem Wissen und Können auch seine Träume, Hoffnungen, Erwartungen, Entwicklungsmöglichkeiten, Mankos und Misserfolge, Visionen und Werte ein. Im besten Fall stimmen sie mit den Werten, Visionen und Entwicklungszielen des Unternehmens im Wesentlichen überein. Unternehmen, die von Führungskräften und Mitarbeitern permanente Superlative zur Gewinnmaximierung bis zum Ausbrennen erwarten, ohne sich für die Menschen im Unternehmen zu interessieren, zeigen eine Haltung, die für Andersartigkeit keinen Raum lässt.

„Dem anderen sein Anderssein verzeihen, das ist der Anfang der Weisheit.”
(aus China)

Ich wünsche mir mehr Unternehmen, die anders sind und Andersartigkeit schätzen, in denen Führungskräfte und Mitarbeiter von Anfang an Wertschätzung für die ihnen eigenen Besonderheiten und Haltungen erfahren, die Raum bieten für Arbeit und Leben, Entwicklung und Sinnfindung und deren Wachstum mit Qualität einhergeht. Ich wünsche mir mehr Unternehmer, die nicht nur von Führungskräften und Mitarbeitern Flexibilität erwarten, sondern sie auch selbst durch flexible Arbeitsmodelle gewähren.

Ich wünsche mir mehr Unternehmen, die Bewerber nicht unbesehen als zu alt oder überqualifiziert aussortieren, sondern auf Erfahrung, Resilienz, lebenslanges Lernen und Bildung setzen. Ich wünsche mir mehr Unternehmen, zu denen der Zugang nicht nur über standardisierte Formulare und Assessment Center Tests Dritter möglich ist, und Bewerber, die Unternehmen gegenüber ihre Originalität sichtbar machen und dafür geschätzt werden.

Ich wünsche mir mehr Unternehmer, die integre Persönlichkeiten sind und solche um sich scharen und diese Haltung nach außen hin transparent machen; Unternehmer, die Kunden und Bewerbern offen zeigen, wer sie und die Menschen im Unternehmen sind, in aller Buntheit und Vielfalt.
Was zählt, ist die Persönlichkeit.