Gedanken zum Wert Anhänglichkeit

Als Kind wünschte ich mir immer einen Hund, einen anhänglichen Freund, der mich überall hin begleiten sollte. Stattdessen hatte ich einen wilden Kater in einer kleinen Mietwohnung, der lieber draußen eigene Wege gehen wollte. Als er vom Balkon in den Hof sprang, verschenkte ich ihn schweren Herzens an eine Familie mit Garten. Ich hing wohl mehr an ihm als er an mir. Seinen großen Freiheitsdrang mochte ich trotzdem.

Wer anhänglich ist, ist fähig sich zu binden. Oft bemerken wir nicht, wem wir anhängen, an was wir uns täglich binden. Manches ist temporär und letztlich überflüssig. Wenn man sich im Leben einmal aufs Äußerste reduziert hat, kristallisiert sich deutlicher heraus, woran man hängt, was man vermisst und an was man sich freiwillig binden will. Ich hänge an Menschen, die ich liebe, an wenigen Dingen, die mich an sie erinnern, an Begegnungen, die mein Leben in eine neue Richtung gebracht haben, an meiner Muttersprache, meinen Büchern, meinem Klavier. Ich hänge an seltenen Kunsterlebnissen, bereichernden Gesprächen und an wunderschönen Eindrücken aus der Natur. Ich hänge am Leben.

Loslassen


Die letzten Rosen blühen und verblühen. Die Abende werden spürbar kühler. Bald werden die Cafés ihre Stühle, auf deren Lehnen jetzt schon Wolldecken liegen, nicht mehr nach draußen stellen. Das Eiscafé wird schließen. Blätter fallen und bedecken die parkenden Autos. Es wird Herbst. Ich freue mich auf ein gutes Buch und einen starken Tee mit Milch und Honig, auf Rückzug, Wärme und Ruhe.

Zu große Anhänglichkeit lässt uns träge werden, an Orten, Plänen und Projekten festhalten, in Gewohnheiten verharren. Der Herbst lehrt zur Besinnung zu kommen, stiller zu werden und zu bemerken, woran wir hängen und was es loszulassen gilt.

Stufen

„Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.

Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf‘ um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.

Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegen senden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden…
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!”

(Hermann Hesse)

Was mussten Sie in Ihrem Leben loslassen? Hadern Sie damit? Woran hängen Sie? Was haben Sie gerne hinter sich gelassen? Welcher Neubeginn wurde dadurch erst möglich und wohin möchten Sie als Nächstes aufbrechen?

Erzählen Sie mir bei einem Kaffee oder Tee von sich und zeigen Sie Ihre Persönlichkeit in einem biografischen Porträt.