Unternehmer Porträt„Ich habe Ihren Termin erst für morgen eingetragen“, sagt die Sekretärin, als ich die Steuerkanzlei von Stephan Weigelt betrete. Er ist da, das Babyschwimmen mit seiner Tochter fiel aus. Von eher gemütlicher Statur, eilt er leichtfüßig voraus, erzählt lebhaft, unterhaltsam, humorvoll, blickt ab und zu über den Rand seiner „Schlaumeierbrille“, wie er sie nennt. Die Räume hat er erst vor wenigen Monaten renoviert, klare Linien, männliche Farben, wenig Dekoration. Ein noch funktionstauglicher Stummfilm-Kinoprojektor gibt dem Flur eine nostalgische Note und unterstreicht dekorativ seinen Schwerpunkt: Medienberufe. Die Besprechungsräume sind mit großen Bildschirmen ausgestattet. „Wir haben Spielekonsolen für die Kinder der Mandanten und natürlich können die Mitarbeiter hier ihre Pausen verbringen“, sagt er. Seine Kaffeemaschine: ein Gastroautomat!

„Eigentlich wollte ich, seit ich sieben Jahre alt war, zur Steuerfahndung“, lacht er. Damals erlebte er nach der Scheidung der Eltern, wie sein Vater mit seiner Kneipe in Insolvenz ging. „Meine Mutter hat als Schuhverkäuferin nicht viel verdient, meine Oma ging putzen. Da hab ich mir gesagt, du gehst mal zur Steuerfahndung, dann weißt du wenigstens, wie es richtig geht.“ Sein Taschengeld verdiente er sich durch Keyboardspielen.

Mit 16 informierte er sich im Finanzamt: „Der Repräsentant für Auszubildende saß in einem dunklen Kämmerlein, ein Typ mit Wollpulli und schütterem Haar. Das ist nichts für dich“, wusste er sofort und machte die Ausbildung zum Steuerfachangestellten. „Zum ersten Mal richtig gelernt habe ich erst für die Zauberprüfung und die Aufnahme in den magischen Zirkel“, erzählt er schmunzelnd. Neben dem Beruf und dem Wehrdienst machte er das Abitur nach, baute mit einem Freund einen Licht- und Tonanlagen-Verleih auf, besuchte die Zauberschule und ließ sich zum Tanzlehrer ausbilden. Beim Rock ’n Roll lernte er seine Frau kennen.

Mit Anfang Zwanzig leitete er bereits das Rechnungswesen einer großen Filmproduktionsfirma. Nach einem Intermezzo als Schwangerschaftsvertretung in einer landwirtschaftlichen Buchstelle im Sauerland – nach einem Monat hatte er bereits alle Fälle fürs ganze Jahr bearbeitet – wechselte er zu einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und machte den Steuerfachwirt und das Steuerberaterexamen. Die Licht- und Tonfirma baute er am Wochenende weiter aus. Vor zwei Monaten hat er sie erst verkauft. Der Mann ist schnell, vielseitig, in allem erfolgreich.

2007 kam er zurück ins Rheinland. Stephan Weigelt beriet für die Treuhand Hannover Ärzte und Apotheker. „Das war mir zu langweilig. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl: Mist, du bist beim Amt gelandet“, erzählt er lachend. „Für alles gab es Abteilungen in Hannover.“ Abwechslung boten ein Lehrauftrag an der Hochschule und die Beratung von Mandanten anderer Branchen als selbstständiger Steuerberater. 2009 machte er sich selbstständig, kaufte die Kanzlei in Leverkusen: „Als Erstes hab ich den Schrank ausgeräumt und die Fälle verteilt. Meine zehn Mitarbeiter sollen selbstständig arbeiten.“

Im Forum junger Steuerberater schrieb er mit Kollegen einen Leitfaden zur Existenzgründung für Steuerberater. Als Experte für Medienberufe und Probleme der Abgaben an die Künstlersozialkasse gibt Stephan Weigelt inzwischen Seminare für Steuerberater, hält Vorträge für die Deutsche Bank und auf Steuerberaterkongressen, z.B. zum Thema Kanzleivision und organisches Wachstum. Seine eigene Vision? „Steuerberater Nr. 1 im Ort. Ich möchte eine der führenden Kanzleien im Bereich der Medienberufe in Deutschland sein und mehr Zeit für die Familie haben. Ich hab früh Gas gegeben. In zwanzig Jahren werde ich in einer Band spielen, mehr zaubern gehen und mit meiner Frau reisen, Cook-Inseln, Amerika. Das sind unsere Ziele.“

Stephan Weigelt erzählt von einem Mandanten, der nach dem Tod des Vaters den Betrieb übernommen und große finanzielle Verluste erlitten hatte. Er schaffte es in einem halben Jahr, die Firma wieder ins Plus zu bringen. „Ich finde es extrem schön, wenn ich meinen Klienten dabei helfen kann, ein Problem zu lösen. Durch die permanenten Gespräche mit uns hat der Junior sich ganz toll entwickelt“, nennt er diesen Einsatz bescheiden. Existenzgründern hilft er von Anfang an den Weitblick für die eigene Lebensperspektive mit einzubeziehen. „Mir ist es wichtig, dass man weiß, was man tut und nur die Dinge tut, die man kann.“

Seine Kanzleistruktur: extrem sicher und effizient. Alle Daten laufen voll digitalisiert über das DATEV-Rechenzentrum in Nürnberg. „Theoretisch könnte hier alles abbrennen und wir haben trotzdem noch die Daten und alle Prozesse in der Dauerüberwachung“, erklärt er. Der Mehrwert: die gefühlte Sicherheit bis hin zur voll digitalen Buchhaltung.

Seine Mandanten kommen nur über Empfehlung zu ihm. „Der Steuerberater kennt schließlich alles. Er weiß ja meistens noch vor der Frau, dass der Mann sich scheiden lassen und Geld beiseiteschaffen will“, lacht er. „Mein Job ist es, Unternehmen erfolgreich zu machen, ihnen alles vom Hals zu halten, was mit Steuern und Finanzen zu tun hat. Der Mandant muss möglichst viel Zeit für sein Kerngeschäft haben“, betont er. „Dafür kann man bei uns keinen Schuhkarton mit Quittungen abgeben.“ Seine Mandanten werden in seine Standards eingewiesen.

Er holt ein Glas und drei 2-Euro-Stücke: „Man wird als Steuerberater oft gefragt: Wenn ich mein Geld in der Schweiz habe, dann zahl ich hier doch keine Steuern mehr?“ Während er erzählt, wirft er mit einer Hand die Eurostücke in die Luft. Sie scheinen unsichtbar im Raum zu verschwinden, bis er sie Sekunden später mit der anderen Hand im Glas auffängt. „Wo ist es denn jetzt? Ach da.“ Das Geld klimpert ins Glas. „Wenn ja sowieso schon dein Geld drüben in der Schweiz ist“, wieder fällt ein Eurostück, „und die Zinsen auch, dann pack doch einfach alles ein: Haus, Frau, Auto, Kinder und dann ziehst du um in die Schweiz und zahlst hier gar nichts mehr.“ Das Glas klirrt, drei Eurostücke liegen darin. Ein unterhaltsamer Steuerberater, der zaubern kann und dem kein Euro verloren geht, denke ich und verabschiede mich.