PorträtNachdem ich einmal um den Häuserblock gefahren, auf dem Depot der Straßenbahn angekommen und dort mit dem freundlichen Pförtner über den Verlauf der Hausnummern auf der Bergheimer Landstraße ins Gespräch gekommen bin, finde ich das schmiedeeiserne Tor und die Einfahrt zum Hof der WAS Schulungs GmbH in Heidelberg. Ein kleiner Hof mündet in einen weitaus größeren und ein Ensemble von Gebäuden gruppiert sich um beide herum zu einem großen Betriebsgelände. Linker Hand das Taeter-Theater, das von außen wie die Probenwerkstatt einiger Studenten wirkt, geradeaus ein kleines Häuschen mit Jacque’s Weindepot. Das größte Gebäude trägt die Aufschrift SAP Applehaus. „Einfach auf das Betriebsgelände fahren und dann am besten noch mal anrufen“, diesem Rat von Peter Steiner folge ich jetzt und lasse mich von ihm auf den großen Hof und dort auf seinen firmeneigenen Stellplatz lotsen, bis ich ihn aus dem Fenster des hohen Backsteingebäudes winken sehe.

Es ist Nachmittag und der heutige Schulungstag bereits zu Ende, die Räume sind leer, Feierabend. Am Ende des langen Flurs im ersten Stock spricht Peter Steiner noch kurz mit einem seiner Dozenten und zeigt mir dann sein Unternehmen. „Früher war das eine Ziegelei, heute lernen Erwachsene hier für einen qualifizierten Berufsabschluss.“ Wir gehen durch Büro und Sekretariat, ein Besprechungsraum bietet genügend Intimität für Einzel-Coaching. In drei großen Schulungsräumen findet der Unterricht statt, einer ist mit Bildschirmen ausgestattet, in den anderen wird mit der Hand geschrieben, um das Gelernte zu verfestigen. Einige Bücher und Schreibblöcke liegen noch auf den Tischen, morgen geht es weiter. Die Einrichtung ist funktional, grau und schwarz, die Stühle mit hohen Rückenlehnen bieten bequemen Halt für ganztägiges konzentriertes Arbeiten.

„Wir sind spezialisiert auf Logistik und Gastronomie.“ Der aktuelle Kurs bildet Arbeitslose zu Restaurantfachleuten oder Köchen aus. An den Wänden hängen große Abbildungen der Fleischteile vom Rind oder vom Schwein, Landkarten französischer Weinbaugebiete und eine Zeichnung zum menschlichen Fettstoffwechsel. Links eine Fensterfront zum Hof, rechts eine Regalwand voller Bücher und noch mehr leerer Weinflaschen. „Hier wird nicht getrunken, sondern intensiv gearbeitet, mein Dozent ist absoluter Weinkenner.“ Steiner schmunzelt. „Unsere Abschlussquote erfolgreich durchlaufener Prüfungen vor der IHK beträgt 96%, und das bei Teilnehmern, die das Lernen erst wieder lernen müssen. Das ist außergewöhnlich.“ Seinen Teilnehmern fehlt es an viel, vor allem aber an Selbstwertgefühl: „Die Arbeitslosigkeit ist ein Trauma an sich, und dann noch der Gang zu den Behörden. Wenn sie hier ankommen, fühlen sie sich so klein, dass sie unterm Teppich Fallschirmspringen könnten.“

Arbeitslos, ausgegrenzt, nicht gewollt und außen vor zu sein, das kennt Peter Steiner aus eigener Erfahrung. Die Auseinandersetzung mit der Bürokratie führt er inzwischen auf anderem Niveau. Die Kurse der WAS Schulungs GmbH sind ausschließlich mit Erwachsenen besetzt, die – von der Arbeitsagentur gefördert – eine letzte Chance zur beruflichen Qualifizierung erhalten. In der Gemeinschaft eines festen Kurses wird sechs Monate lang in Vollzeit der Stoff gepaukt, der anschließend in der Prüfung der Industrie- und Handelskammer abgefragt wird. Praktische Berufserfahrung kann theoretische Mängel ausgleichen, Steiner sieht seine Aufgabe aber darin, die Teilnehmer fachlich fit zu machen. Die Ergebnisse überzeugen. Die WAS besteht seit sieben Jahren auf dem Markt der Bildungsanbieter, sein kleines Team ist fester Bestandteil seines Erfolgs. „Keine Fluktuation, alles außergewöhnliche Menschen“, lächelt er und zeigt mir den kleinen Innenhof. „Hier will ich im Sommer ein Konzert veranstalten.“

Peter Steiner versteht sich als Unternehmer des alten Schlags, mit Mitte 50 kennt er Brüche im Lebenslauf und zeigt großes Verständnis für die Situation seiner Teilnehmer. „Ich führe mit jedem vorab ein ausführliches Gespräch, um einschätzen zu können, ob er es schaffen kann.“ Steiner macht keine leeren Versprechungen. Wenn er jemanden aufnimmt, setzt er sich mit seinem Dozententeam für seine Qualifizierung ein. Entwicklung liegt ihm am Herzen. „Es ist schön zu sehen, wie Menschen über sich hinauswachsen, Prüfungen bestehen, groß und stolz werden und nach dem halben Jahr erfolgreich in neue Jobs kommen.“ Wenn er von Teilnehmern überzeugt ist, setzt er sich auch gegen bürokratische Widerstände für sie ein. „Wir hatten eine Inderin, die von der Arbeitsagentur abgelehnt wurde. Die Sachbearbeiter vergessen, dass anfängliche Sprachhürden durch die Intensität von acht Stunden Unterricht über sechs Monate wie nebenbei abgebaut werden. Das muss man erst mal schaffen. Ich habe sie dann trotzdem für einen kleinen betriebswirtschaftlichen Kurs angenommen und sie hat die Prüfung hervorragend bestanden. Als ihr dann der Zugang zur Berufsqualifizierung immer noch verwehrt wurde, hat sich der ganze Kurs für sie stark gemacht, einen offenen Brief an die Agentur geschrieben und sich sogar ans Fernsehen gewandt. Wir hatten eine Reportage im SWR bei Report Mainz. Da halt ich mich aber im Hintergrund.“

Sein Handy klingelt und geduldig geht Steiner auf jede Frage und Befürchtung des Interessenten ein: „Machen Sie sich keine Sorgen, da liegen Sie vom Alter her bei uns im mittleren Bereich. Kommen Sie doch einfach mal zu uns, setzen sich in den laufenden Kurs und wenn Sie ein gutes Gefühl haben, können wir uns gerne unterhalten. Wenn nicht, werden Sie nur Lernhürden aufbauen, das hilft niemandem.“ Offenheit, Vertrauen und Respekt sind einige der Werte, die er täglich lebt. Gerade hat er eine 60-jährige Sekretärin eingestellt, die 10 Jahre auf einer Farm in Südafrika gelebt hat und sich an feste Bürozeiten erst wieder gewöhnen muss. „Das kriegen wir schon zusammen hin“, meint er zuversichtlich und begleitet mich nach draußen.

Unterwegs erzählt er mir die Geschichte des Teilnehmers, dem von der Arbeitsagentur in einem psychologischen Gutachten bescheinigt wurde, nicht stabil genug für eine qualifizierte Arbeit zu sein. „Das muss man sich mal vorstellen: Mit einer Unterschrift ist dem Mann seine berufliche Zukunft genommen worden. Er ist 40. Nur, weil er mal vor 15 Jahren Drogenerfahrung gemacht hat.“ Wir stehen in der Sonne und Steiner zündet sich eine Selbstgedrehte an. „Ich habe mir ein Bild von ihm gemacht, ein psychologisches Gegengutachten erstellen lassen und werde auch vor Gericht gehen. Hier wurde ein Mensch völlig verkannt, der Leistung bringen kann und will. Das kann ich nicht zulassen. Er kann auch umsonst teilnehmen. Wirtschaft ohne Gier – das muss gehen und ist auch erfolgreich.“ Sein Handy klingelt wieder und wir verabschieden uns. Kurz darauf steht er mit seinem Motorrad neben meinem Auto. „Schöner Wagen, ich fahr schon mal vor“, sagt er – ein Wegbegleiter, dem ich mich gerne anvertraue.