Unternehmer BiografieWir treffen uns vormittags in einem Café am Baldeneysee in Essen. Wenige Spaziergänger und Radfahrer beleben die Uferpromenade. Das Wetter ist noch etwas diesig, der See sieht grau aus. Ein Schiff kommt vorbei, zwei allein genießen die freie Sicht vom Deck aus und winken. Die Kellner stehen Spalier.

Nicoline von Jordans-Moscher kommt auf die Minute pünktlich. Ihr Gang ist beschwingt, mit leichtem Schritt nimmt sie die Stufen zur Terrasse. Eine zierliche Frau, ganz in Schwarz-Weiß gekleidet, sogar die leichte Perlenkette und der Ring mit Yin und Yang-Symbol fügen sich harmonisch in das Gesamtbild ein. Die Mitte Fünfzig sieht man ihr nicht an. Lebhaft beginnt sie zu erzählen und erklärt mir das Logo auf ihrer Homepage: „Erst mal sind wir gedrückt durch Probleme oder Konflikte, dann kommen wir günstigenfalls ins Überlegen, aber ich glaube, es gibt immer eine Lösung. Aber dafür muss man manchmal springen. Und dann ist da auch etwas.“ Genau dabei steht sie ihren Klienten als Coach und Aufstellungsleiterin zur Seite. Aus eigener Erfahrung weiß sie: „Ich bin noch nie wirklich aufgeklatscht und wenn wir darauf vertrauen und uns gute Wegbegleiter suchen, dann ist das auch so.“

Anfang des Jahres wagte sie selbst den Sprung, kündigte ihr Anstellungsverhältnis und begab sich ganz in die Selbstständigkeit. Die Arbeit im Großraumbüro machte sie immer unzufriedener, der eigene Gestaltungsfreiraum in der Arbeit mit Klienten wurde demgegenüber immer attraktiver, erfüllender. „Ich organisiere gerne selbst und es macht mir einfach so viel Freude, mit den Menschen zu arbeiten.“ Sie lacht. Ihr Chef unterstützte sie und ermöglichte ihr während der Kündigungsfrist den Absprung bei vollem Gehalt.

Ihr Mann ist ebenfalls selbstständig, schafft Kunstwerke aus Holz: Klemmbretter, Lichtinstallationen und viele andere schöne Dinge. Das Marketing übernimmt Nicoline von Jordans-Moscher gleich für ihn mit, strukturiert, effektiv, persönlich. Ein von ihm gestaltetes Systembrett mit Figuren in drei Größen, die den Kopf drehen können, verkaufte sie nebenbei an ihren Coachingausbilder. In ihrem Coachingraum steht eine Holzskulptur, die sie bereits als Lebensbaum in ihre Arbeit einbezogen hat. „Ich bin auch ein Holzwurm“, lacht sie, „wir ergänzen uns da gut.“ Inzwischen hat er sich von ihr etwas mehr Struktur abgeguckt, sie hat an Lockerheit dazugewonnen.

Nicoline von Jordans-Moscher hatte mit 19 gerade die Ausbildung zur Arzthelferin abgeschlossen, als sie zum ersten Mal Mutter wurde. Selbst mit fünf Geschwistern aufgewachsen, war es ihr mit einem Kind bald zu still im Haus. „Es war immer viel Leben bei uns. Ich bin auf einem Hof mit Reitbetrieb großgeworden und im Sommer waren immer noch mal zehn Kinder mehr da.“ Drei weitere Kinder folgten schnell. Inzwischen gibt es sieben Enkelkinder in ihrem Leben. „Es ist viel los, sehr trubelig, aber das bin ich auch, einfach lebendig“, sagt sie. Kurz vor der Trennung von ihrem ersten Mann machte sie eine Umschulung zur Industriekauffrau, landete in der Reklamationsabteilung eines Konzerns und übernahm dank ihrer Sprachgewandtheit im Servicebereich die Importabwicklung. Auf der Suche nach neuen Erfahrungsfeldern liebäugelte sie kurz mit dem öffentlichen Dienst, stellte aber schnell fest, dass das nichts für sie war.

Die Trennung hinterließ bei ihren vier Kindern „ein ordentliches Päckchen“, wie sie es nennt. „Die haben sich gefetzt wie die Kesselflicker. Der Jüngste ist mir damals schulisch entglitten und nach einem Wechsel auf die Waldorfschule kam er schließlich in ein Internat.“ Ein dort angebotenes Teen-Wochenend-Seminar ließ Nicoline von Jordans-Moscher aufhorchen. Kurzerhand schlug sie den älteren Geschwisterkindern vor teilzunehmen und war verblüfft über die Wirkung: „Sonntags durften wir die Kinder wieder abholen. Ich kam in den Raum, in dem 40 Jugendliche saßen und da war so eine hammermäßige, friedvolle, harmonische Energie, dass ich dachte: Was haben die denn gemacht?“ Die Konflikte zu Hause konnten anschließend ganz anders beigelegt werden. „Das war ein richtiger Gewinn. Ich war wirklich beeindruckt“, erinnert sie sich.

Neugierig geworden, nahm sie sich vor, in dieser Richtung auch etwas zu machen. Sie verließ ihre eigene Komfortzone und absolvierte mehrere Weiterbildungen bei dem Seminarleiter, der schon in ihren Kindern den Richtungswechsel angestoßen hatte. „Ich hab immer schon dieses Interesse gehabt und viel darüber gelesen. Das war der Anfang von dem Weg, auf dem ich heute bin.“ Als sie mit Familienaufstellungen in Berührung kam, war sie begeistert: „Das hat mich gleich geflasht.“ Die Ausbildungen zur systemischen Familien- und Strukturaufstellerin folgten. Hier fügen sich ihr Gespür für Kommunikation und ihre Empathie im Umgang mit Menschen mit ihrem Sinn für Struktur harmonisch zusammen: Alles braucht seinen Platz in der systemischen Ordnung, steht in einem größeren Kontext. Von der autoritären Haltung Hellingers setzt sie sich allerdings ab: „Für mich ist jeder selbst der Experte in seinem Leben“, betont sie. Und so bezieht sie die Klienten interaktiv in ihre Aufstellungsarbeit mit ein, vertraut darauf, dass sich das Wesentliche schon zeigen und entwickeln wird. „Für die Aufstellungsarbeit schlägt mein Herz in erster Linie“, sagt sie und erzählt ausführlich die Geschichte einer Aufstellung für ein magersüchtiges Mädchen, das auch ohne selbst teilzunehmen von der Bewegung im Stellvertreter-System profitiert und neuen Lebensmut gewonnen hat. „Die Mutter schrieb, ihre Tochter würde wieder singen, sie könnte heulen vor Freude.“ Nicoline von Jordans-Moscher wischt sich eine Träne aus dem Augenwinkel. „Da liegen so viele Geschenke. Das ist es, was so schön und tiefgreifend ist“, sagt sie berührt. „Und: Mit den Eltern fängt alles an.“

Bei ihrer ersten selbst geleiteten Aufstellung stieß sie direkt auf eine Kollegin, die ihr viel Widerstand entgegenbrachte und ihre Arbeit zerpflückte. Ihr verdankte sie die Einsicht, dass der Klient anschließend eine Nachsorge benötigt, mit dem Erlebten nicht alleingelassen werden sollte. „Das war für mich der Grund, mir eine Coachingausbildung zu suchen. Damit war ich sattelfest.“ Seitdem bietet sie Aufstellungen mit möglicher Nachbetreuung an, fängt ihre Klienten auch nach dem Sprung ins Unbekannte auf, hält es aus, mit dem zu arbeiten, was im Moment entsteht. Im Hier und Jetzt. „Vertrau einfach, es wird schon kommen.“ Dieser Satz gilt auch für ihr eigenes Leben, ihre Selbstständigkeit. Nicoline von Jordans-Moscher lebt vor, was sie ihren Klienten abverlangt, authentisch, erfahren, vertrauenswürdig.

Ihre Klienten findet sie über diverse Kooperationen mit Heilpraktikern. Hier tut sich gerade für sie eine neue Entwicklung auf: Körpersymptom-Aufstellungen und neuerdings Heilmittel-Aufstellungen. Der Kreis zu ihrer Berührung mit medizinischen Themen in jungen Jahren schließt sich auf einer ganz anderen Ebene wieder: „Das ist so spannend. Ich merke, dass ich das total gerne mache. Ich bin ganz kribbelig und freu mich darauf“, schwärmt sie voller Begeisterung. „Krankheit kommt nicht umsonst in unser Leben. Wenn wir die Aufgabe, die für uns darin liegt, sehen können, kann sich etwas entspannen. Dann brauchen wir auch das Symptom und die Krankheit nicht mehr.“ Davon ist sie überzeugt.

Kooperationspartner, die ihr zu langsam und gesetzt erscheinen, lässt sie hinter sich. Und irgendwann auch mal ruhiger werden – das will sie gar nicht. Sie vermittelt Aufbruchsstimmung, Lebendigkeit, Forscherdrang. Die Sonne kommt raus, es wird plötzlich sommerlich warm. Nicoline von Jordans-Moscher zieht ihre Jacke aus und bestellt ein Eis mit Sahne. In ihrem Coachingraum liegt ein leuchtend orangefarbener Teppich, erzählt sie und zeigt mir ein Foto. Wenn durch das Fenster zum Garten die Sonne darauf scheint, lässt sie Klienten auch gerne mal auf dieser Sonneninsel auf dem Boden mit Utensilien arbeiten, setzt Musik oder eine Landkarte der Befindlichkeiten ein, bietet intuitiv Raum für Neues.

„Veränderung wagen“ – das hat sie sich auf die Fahne geschrieben. Was sie von anderen unterscheidet? „Mein Optimismus, dass es immer einen Weg gibt. Irgendwie geht es immer, auch wenn es noch so düster aussieht. Am Ende ist es irgendwie gut.“ Das Vertrauen ins Leben und die Gelassenheit allem gegenüber, was im Leben passiert, hat sie selbst. Wer mit ihr auf dem Weg ist, darf Veränderung wagen, springen und darauf vertrauen, dass er aufgefangen wird – von ihr und einem größeren Zusammenhang.