Isabel Kaestner-BollwegWir verabreden uns im Essener Folkwang Museum, in dem Isabel Kaestner-Bollweg sich nach ihrer Ankunft die derzeit laufenden Ausstellungen zu analoger Fotografie, Grafik zwischen Foto und Druck und Plakatkunst angesehen hat, wie sie später berichtet. Ich erkenne sie sofort: eine zierliche Dame mit Pagenkopf, Kleid und Schal in Grautönen aufeinander abgestimmt, petrolfarbene Strümpfe setzen einen überraschenden Farbakzent, stilvoll, seriös, dezent kreativ. Bei Kaffee und Schokoladenkuchen beginnt sie zu erzählen.

Als Kind erlebte sie Schönheit, Farben und Atmosphäre im Blumengarten ihrer Großmutter, die sie darin unterstützte zu malen. Isabel Kaestner-Bollweg studierte zunächst vier Semester Freie Kunst und wechselte bald zur Visuellen Kommunikation. „Ich komme aus guten, bürgerlichen Verhältnissen und hatte einfach Angst vor Vereinsamung und Verwahrlosung als freie Künstlerin“, schmunzelt sie. „Dabei hatte ich durchaus Erfolge und Ausstellungen. Mir fehlte wohl der Glaube an eine freischaffende Existenz als Künstlerin.“ Von Kassel ging sie nach Berlin, wechselte nach Norddeutschland. Inzwischen wohnt sie mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern im eigenen Haus. Jahrelange Erfahrung aus Werbeagenturen und werbetreibenden Unternehmen konnte sie als einzige Grafikerin im Unternehmen nach 13 Jahren nicht vor einer Kündigung bewahren. „Der neue Geschäftsführer sah die Durchführung von Fachwerbung, Direkt-Marketing und Öffentlichkeitsarbeit bei externen Dienstleistern“, bedauert sie. Sie wünscht sich wieder kreativer zu arbeiten, gerne in Teilzeit oder auch von zu Hause aus.

„Der Beruf ist etwas ganz Existenzielles für mich“, betont Isabel Kaestner-Bollweg. „Jeder meint heute dank der technischen Möglichkeiten sein eigener Designer zu sein und erkennt nicht den Wert einer erfahrenen Grafik-Designerin.“ Als Bildredakteurin zu arbeiten könnte sie sich gut vorstellen. Sie kennt die Qualitätsmaßstäbe für gute Bilder, besitzt ein geschultes Auge. Layout für Zeitungen zu gestalten, mit denen sie sich selbst als Leserin nicht identifizieren kann, das kommt für sie nicht in Frage, das entspricht nicht ihrem Können. Sie zeigt mir ihre Bewerbungsunterlagen: frisch, modern, mit Arbeitsproben aus den letzten fünf Jahren, z.B. Einladungskarten für ein Event oder Online-Banner. Für ihr biografisches Porträt hat sie bereits eine Seite mit Blindtext vorab designt und die Schriftgröße festgelegt. „Die Werbebranche ist eine junge Branche. Mein Traum wäre es, in der Werbeabteilung eines Unternehmens zu arbeiten, dort mitverantwortlich für das Corporate Design zu sein, gerne auch in einem Team als Directrice. Hauptsache, der Gestaltungsfreiraum und das Experimentierfeld sind weit genug gefasst“, erklärt sie.

Isabel Kaestner-Bollweg sieht ihre Bewerbungschancen realistisch. Sie ist offen für diverse Möglichkeiten. Kindern oder Senioren Kunstprojekte oder -reisen anzubieten kann sie sich ebenso vorstellen wie in einer Galerie tätig zu sein. „Das wäre jetzt eine Alternative. Oder in zehn Jahren. Ein tolles Konzept für einen Malwettbewerb habe ich bereits erstellt. Ideen habe ich viele.“ Sie lacht. „Ich hab wieder angefangen zu zeichnen und zu malen, weil es mir einfach guttut. Ich denke, in einem Jahr werde ich ein gutes Standing haben. Das muss trainiert werden wie beim Sport.“ Ihre Augen blitzen schelmisch, ihr Gesicht wirkt für einen Moment fast wieder mädchenhaft.
„Back to the roots“, nennt sie ihren Rückgriff auf ihre künstlerische Begabung. Sie wird sie in die richtigen Bahnen lenken, ehrgeizig, ernsthaft, angemessen kreativ.