Brigitte BorsingWer mit Brigitte Borsing einen Termin verabredet, muss bereits aktiv werden, um ihren Coachingraum auf dem Hinterhof eines Gewerbezentrums in Leichlingen zu finden. Der Raum ist hell und geräumig, bietet Platz für einen großen Arbeitstisch mit grün bezogenen Stühlen, einen bequemen braunen Ledersessel mit grünem Hocker und zwei kleine Ledersessel, die auf einem hellen Teppich, im Winkel zueinander positioniert, zum Dialog einladen: nah, aber nicht konfrontativ. Der Blick fällt aus dem Fenster und wird auf schöne Einzelstücke gelenkt: ein modernes Gemälde in Grüntönen, einen großen Buddhakopf, eine hübsche Karaffe.

Brigitte Borsing trägt bequeme Freizeitkleidung, ist kaum geschminkt, steht zu ihren kurzen grauen Haaren, geradlinig, natürlich. „Ich würde gerne in die Bahnstadt nach Opladen umziehen“, beginnt sie. „Da entsteht eine ganz neue Arbeiten-und-Wohnen-Landschaft, ganz toll saniert und renoviert, alt mit neu. Der Knaller“, schwärmt sie, „das hat Flair, eine spannende Atmosphäre und Energie.“ Brigitte Borsing wählt ihre Worte genau, formuliert überlegt.

Ursprünglich war sie pharmazeutisch-technische Assistentin. „Das war eine schöne Möglichkeit, etwas für die Gesundheit der Menschen zu tun und in Interaktion zu sein.“ Bewusst entschied sie sich dafür, in einer Apotheke zu arbeiten und Kunden zu beraten.

Nach sieben Jahren wechselte sie für kurze Zeit zu Bayer und übernahm, als ihr Mann sich selbstständig machte, bald die ganze Büroarbeit. „Von der Apotheke her hatte ich eine gute Grundfähigkeit, die Dinge im Überblick zu behalten.“ Ordnung und Organisation liegen ihr. Die Firma wuchs, ein neues Bürogebäude wurde gebaut, die Zahl der Mitarbeiter stieg kontinuierlich. „1999 haben wir die Firma verkauft und glaubten, dass wir unser Vermögen ganz gut angelegt haben. Wir hatten 35 Mitarbeiter und zum zweiten Mal gebaut. Mein Mann war dann als Geschäftsführer weiter angestellt. 2000 ist das Unternehmen weiterverkauft worden, dann wurde es sehr schräg und wir stiegen 2001 aus.“

Beide planten gerade ein Sabbatical, als sie durch die Anschläge am 11. September innerhalb weniger Monate ihr gesamtes in den USA angelegtes Vermögen verloren. „97 Dollar haben wir noch“, lacht sie. Mit Anfang Vierzig standen beide plötzlich vor dem Nichts, mussten so schnell wie möglich wieder in Arbeit kommen, um ihr Haus zu halten. „Mein Mann ist darüber erst mal schwer krank geworden und ich hab gemerkt, dass ich auch etwas für meine seelische Gesundheit tun muss.“ Ihr Vorhaben, schnell eine Ausbildung zum Heilpraktiker zu absolvieren, scheiterte. „Ich bin zwischendurch auch putzen gegangen, damit Geld reinkommt“, gibt sie offen zu.

Durch einen Freund lernte sie einen Seminarleiter in Süddeutschland kennen, nahm mit ihrem Mann an seinen Kursen teil und blieb seitdem dabei. Brigitte Borsing vertiefte sich auf dem Feld „persönliche Kompetenz und Leadership“, wurde Kurs-Assistentin und wirkt heute noch ehrenamtlich mit. „Es hört sich ein bisschen dramatisch an, aber das hat die seelische Gesundheit gerettet“, sagt sie nachdenklich. Vorübergehend arbeitete sie für eine Unternehmensberatung, bis sie eine Interimsstelle als Assistenz des Geschäftsführers antreten konnte. Man wollte sie übernehmen. Brigitte Borsing schrieb eine Für-und-Wider-Liste und sagte zu. „Und jetzt hab ich das erste Mal richtig Geld verdient. Das war eine sehr schöne Zeit“, erinnert sie sich.

Die Arbeit an der eigenen Persönlichkeitsentwicklung und die Unterstützung der Kursteilnehmer in den Seminaren führte sie parallel dazu kontinuierlich weiter. 2010 erhielt sie mit 50 die Kündigung. Ihre eigene Entwicklung hatte sie so stark gemacht, dass ihr Chef sie nicht weiterhin nach dem Prinzip „Angst“ führen konnte. „Ich hab meine innere Haltung ihm gegenüber verändert, die Angst abgelegt“, sagt sie. „Damit konnte er nicht umgehen. Ich bin sofort freigestellt worden, musste innerhalb von 24 Stunden gehen. Das war für mich ein Gefühl, als wenn ich die silbernen Löffel geklaut hätte. Sehr sehr unangenehm.“ Wieder stand sie vor der Frage, wie es weitergehen sollte.

Brigitte Borsing hatte inzwischen neun Jahre Erfahrung im Seminarbetrieb als Assistentin und Co-Trainerin, blieb aber immer in der zweiten Reihe. Sie recherchierte und suchte eine fundierte Ausbildung. Das St. Galler Coaching-Modell überzeugte sie. „Ich bin in die Arbeitslosigkeit gegangen, hab mich natürlich auch beworben und nebenbei meine Ausbildung zum systemischen Coach und Berater, als systemischer Strukturaufsteller und Mastercoach absolviert. Alles privat bezahlt. Und dann hab ich meine Selbstständigkeit geplant.“ Was Brigitte Borsing tut, hat Hand und Fuß, sie agiert strategisch und kompetent.

„Warum wollte ich das machen?“, resümiert sie, „weil ich bei meiner eigenen und begleitenden Persönlichkeitsentwicklung und allem, was ich dort erfahren habe, gespürt habe: Das kann ich gut weitergeben und das hilft den Menschen. Ich finde die Methode einfach genial. Mein Steckenpferd ist das Einzelcoaching. Ich bin jetzt selbst fast 54 und mein Schwerpunkt ist die Zeit der Lebensmitte, die Jahre des Wechsels, die Frage nach dem Sinn. Oft zeigen sich erste gesundheitliche Themen.“ Sie kombiniert unterschiedliche Methoden aus dem NLP, nutzt Aufstellungsarbeit, führt lösungsorientierte Gespräche. Entscheidend dabei ist ihre Haltung, ein Wort, das sie oft benutzt: „Ich frage nach, ich bin penetrant, ich führe immer wieder auf den Punkt zurück, sodass dem Klienten die Dinge klar werden, bewusst werden.“

Wichtig dabei ist ihr, dass Klienten nicht nur intellektuell mitgehen, sondern dank ihrer Anleitung auch selbst mögliche Lösungsszenarien fühlen. „Und das funktioniert.“ Sie lacht. Was ihr am meisten Spaß macht? „Immer wieder die Faszination, dass dieses Gesamtpaket so wunderbar zu Erkenntnis, Klarheit und damit zu neuen Lösungswegen für den Klienten führt. Dass sich wirklich etwas verändert, ohne dass er es durch seinen Willen herbeiführen muss, sondern weil sich seine Haltung verändert.“ Brigitte Borsing berichtet von einem Klienten, der voller Zweifel an der Beziehung mit seiner Frau zu ihr kam: „Das Coaching hat ihm so weit geholfen, dass er wirklich gefühlt hat: Ich bin ein glücklicher Mann. Auch das kann ein Ergebnis sein. Das fand ich einfach klasse“, sagt sie und schweigt berührt.

Brigitte Borsing wünscht sich, dass Coaching in Zukunft kein Tabuthema mehr ist. „Gerade wir Deutschen meinen immer, wir müssen alles alleine schaffen.“ Sie selbst geht offensiv auf Menschen zu, pflegt Netzwerke, sucht Kooperationen, hält Vorträge auf Messen, verteilt Gutscheine. Der persönliche Eindruck zählt.

„Meine Haltung ist absolute Integrität. Ich bin empathisch, aber ich leide nicht mit, sonst wäre ich verloren.“ Sie spricht langsam, wird ernst. „Bei dieser Arbeit zeichnet mich aus, dass ich meine eigenen Themen selbst geklärt habe. Da habe ich einen riesigen Vorsprung durch eine fundierte persönliche lange Erfahrung. Ich bin mit den Themen, die ich coache, klar. Ich möchte nicht etwas anbieten, von dem ich nicht wirklich überzeugt bin, dass ich das exzellent kann.“

Man nimmt ihr das sofort ab. Es klingelt an der Tür und die nächste Klientin tritt ein – eine Frau, die beruflich mit Zahlen, Daten, Vermögenswerten umgeht. Ich habe keinerlei Zweifel, dass Brigitte Borsing sie dazu führen kann, das eigene Vermögen für sich neu zu entdecken.